Geheimsprache und Codes klingt wohl eher nach Spionage im Kalten Krieg als nach Social Media im 21. Jahrhundert. Um Inhalten jedoch eine möglichst hohe Reichweite zu verschaffen, ist genau das wichtig. Das Ergebnis: Algospeak.
Dass Inhalte nicht chronologisch, sondern anhand eines Algorithmus auf den Sozialen Medien ausgespielt werden, ist schon lange kein Geheimnis mehr. Er entscheidet, welche Inhalte User zuerst zu sehen bekommen und welche später oder gar nicht. Welche Inhalte dabei besser gerankt werden, kommt auf deren Inhalt und die dabei verwendete Sprache an. Wörter wie Sexualität, Nippel oder Rassismus werden vor allem auf Plattformen wie TikTok „verbannt“. Damit Influencer:innen, die junge Nutzer:innen durch diese Netzwerke aufklären wollen oder sich für Themen wie LGBTQ+ stark machen, ihre Inhalte an ihre Zielgruppe bringen können, benutzen sie die sogenannte Algospeak.
Seggs, Nip Nops und le$bisch
Doch was bedeutet Algospeak eigentlich?
Hierbei werden neue Vokabeln oder Nomen für ein bereits existierendes Wort gefunden, um den Algorithmus auszutricksen. Denn dieser filtert Content aufgrund seines Wortschatzes und nimmt diese gegebenenfalls von der Plattform. Vor allem Influencer:innnen, die sich mit Themen rund um Aufklärung und Sexualität beschäftigen, greifen auf diese Methode zurück. Oft reichen hier schon einzelne Veränderungen in der Schreibweise: Aus Sex wird so zum Beispiel „Seggs“, lesbisch wird zu „le$bisch“ und Rassismus zu „R@ssismus“. Teilweise werden Wörter aber auch ganz verändert: Anstatt von Nippeln wird auf TikTok von „Nip Nops“ gesprochen und die Abkürzung „WLW“ steht für „women who love women“, bezeichnet also eine romantische Beziehung zwischen Frauen.
Neue Sprache: Algospeak
Der Grund dafür ist das sogenannte „Shadow Banning“, also die schlechtere Reihung von Videos oder Bildern aufgrund des darin verwendeten Vokabular. Denn der Algorithmus entscheidet, welche Inhalte Nutzer:innen zuerst sehen und welche erst später oder gleich gar nicht. Das hat einen gehörigen Einfluss auf unsere Sprache: Denn Sprache ist lebendig und immer im Wandel. Verschiedene Gruppen von Personen oder Berufen benutzen ihren eigenen Jargon, mit ihren ganz eigenen Begriffen. Algospeak kann unsere gesprochene Sprache nachhaltig verändern, indem sich verschiedene Vokabeln in unserem Wortschatz, auch außerhalb von Social Media etablieren.
Und es kommen laufend neue dazu. Denn der Algorithmus lernt schnell und setzt laufend neue Wörter auf seine Liste, die er verbietet. Um dieser Zensur zu entgehen, sind Influencer:innen mit aufklärerischen Inhalten dazu gezwungen, neue Wörter zu erfinden, wodurch auch immer wieder neue Wortschöpfungen in unseren Sprachgebrauch miteinfließen.
Ob eine Geheimsprache im 21. Jahrhundert wirklich notwendig, bzw. sinnvoll ist, sei dahingestellt. Dass sich daran etwas ändert und TikTok seine Nutzungsrechte ändert, bleibt abzuwarten. Bis dahin bleibt Contentcreator:innen nichts anderes übrig, als mittels Geheimsprache zu kommunizieren.