Wenn jemand derzeit nach Worten ringt, kann das daran liegen, dass unsere Sprache vermehrt politisiert und sensibilisiert wird. Wer es ernst meint, der denkt bei jedem Satz mit, welche Eigenschaften Menschen zugeschrieben werden, wenn dieser oder jener Begriff fällt. Viele Begriffe erzeugen Bilder von Stereotypen und manche davon sind nicht hilfreich – gerade dann, wenn sie das Gegenüber ausschließen oder „anders“ machen. Vor allem im digitalen Umfeld werden vermeintliche Fehltritte nicht verziehen und können zu Shitstorms aufbrausen. Gut beraten ist, wer der Sensibilisierung nachzukommen und sich rücksichtsvoll auszudrücken weiß.
Doch welche Formulierung ist angemessen? Manchmal stellt sich gar die Frage, ob trotz aller Umschreibung und Sensibilisierung für das Thema nicht eigentlich ein „Vokabel-Defizit“ vorliegt. So gibt es kein Pendant in der deutschen Sprache für den Begriff PoC – Person/People of Color. Wer vermeintlich synonyme Begriffe wie „Fremdenfeindlichkeit“ verwendet und Rassismus meint, riskiert, Menschen, die Zeitlebens Nachbar:innen waren, als Fremde abzugrenzen. Der bedachte Umgang mit diesen Themen war nie zuvor so aktuell. Dass Sprache ein mächtiges Instrument ist, Menschen gezielt anzusprechen oder auszuschließen, zeigt sich auch und gerade im Gender Marketing, das sich gezielt an Frauen oder Männer richtet. Angesprochen zu werden, fühlt sich bekanntermaßen anders an, als mitgemeint zu sein.
Historisches Spracherbe
Ein veränderter Sprachgebrauch umfasst das Gendern genauso wie einen kreativen Umgang mit diskriminierungssensiblen Wörtern. Einige Begriffe und Zuschreibungen der deutschen Sprache sind aus einem rassistischen Kontext entstanden und helfen, diesen am Leben zu erhalten: teils unbewusst in Talkshows, den Nachrichten, in Büchern, bei der Wohnungs- oder Arbeitssuche. Trotz seiner Präsenz passt Rassismus nicht in das Selbstverständnis einer toleranten, modernen Gesellschaft und doch fällt er in der Sprache zunehmend auf. Für diese Begriffe gilt es nach Alternativen zu suchen, um den vererbten Rassismus und die mitgesagten Diskriminierungen zu „verlernen“.
Dabei gibt es unterschiedliche Abstufungen. Wörter mit einer „ungleichen Verwendung“ wie beispielsweise das Wort „Stamm“ wirken unpassend als Bezeichnung für Bayern mit ihren traditionellen Ritualen, nicht aber für Massai Krieger. Leicht lässt sich dies durch einen Perspektivwechsel identifizieren. Die Bezeichnung „Entwicklungsland“ ist ein generalisierender und abwertender Begriff aus eurozentrischer Perspektive, der der Kolonialisierungszeit entspringt und den eigenen Standard Europas als Maß setzt. Er unterstellt den „Anderen“ dadurch einen Nachholbedarf. Die Bezeichnung eines „Illegalen“ ist grundsätzlich diskriminierend, da Menschen per se nicht gesetzeswidrig sein können. Dem Begriff liegt zugrunde, Grundrechte abzusprechen. Bei diesen Zuschreibungen handelt es sich nicht um biologische Eigenschaften, sondern um gesellschaftspolitische Zugehörigkeiten.
Die Vorteile einer Sensibilisierung im Sprachgebrauch
Das neueste viel diskutierte Thema eröffnet eine neue Perspektive. Nach ersten Verkehrsbetrieben in Berlin und München spricht sich auch der HVV gegen das Wort „Schwarzfahren“ aus. Etymologisch geht der Begriff auf keinen rassistischen Hintergrund zurück, es greift jedoch das Prinzip: Bereits eine empfundene Störung wird als Störung angesehen. Eine Übereinkunft der gesellschaftlichen Akteure zeigt hier beispielhaft, wie das Fahren ohne Fahrschein zukünftig neutral benannt werden kann. Negativ aufgefallen war der Begriff, da die Farbe Schwarz im Zuge der Sensibilisierung der Sprache verschärft negativ und kriminell konnotiert ist. Das Entgegenkommen erzeugt Respekt und Vertrauen auf beiden Seiten.
Auch das Gendern ist Teil dieser Sensibilisierung und zielt auf eine bewusste sprachliche Sichtbarmachung und Adressierung diverser Geschlechter ab. Gegendert kann mithilfe eines Genderzeichens wie bei Käufer*innen, einer Doppelnennung (Käuferinnen und Käufer) oder als Variante zum Gendern per Umformulierung (Menschen, die unsere Produkte kaufen) geschehen. Je nach Situation kann so die Irrelevanz der Geschlechtskategorie für eine bestimmte Aussage oder die Inklusion einer bestimmten Kategorie betont werden.
Im Marketing ist diese Sensibilisierung der Sprache noch nicht überall angekommen. Zahlreiche Beispiele zeigen aber, dass es möglich ist. So spricht AUDI von Audianer_innen und auch Banken öffnen sich vermehrt ihrer weiblichen Kundschaft. Gerade im Marketing, wo die Kommunikation mit den Kund:innen an möglichst viele ausgerichtet ist und niemand unbewusst ausgrenzt werden soll, ist die Bewegung zur Sensibilisierung sogar sehr sinnvoll. Für Kommunikationsexpert:innen ist dies keine neue Erkenntnis und dennoch kann diese Perspektive nicht häufig genug betont werden. Begriffe zu vermeiden, die Protagonist:innen zu „Anderen“ oder „Fremden“ machen, die Hierarchien aufbauen oder die grundsätzliche Ungleichheit oder Stereotypen betonen, passen nicht mehr zum heutigen Verständnis einer modernen Ansprache. Das neue übergeordnete Ziel lautet, alle Menschen gleichermaßen mitzunehmen. Wie divers und auf welche Weise dies erreicht wird, sollte individuell auf die Marke und Kommunikationsstrategie ausgerichtet sein. Der Aufwand, der damit einhergeht, lässt sich nicht leugnen, er lohnt sich aber in Hinblick auf zukünftige Kundschaften.