Vom Wind bewegte Äste am Rand eines Sees, T-Shirts voller Wassermelonen-Spritzer, eine Wasserpistole vor dem schelmischen Grinsen eines Kindes – sensorisches Marketing befasst sich mit einem Gestaltungskonzept, das so viele unserer fünf Sinne anspricht wie möglich. Das Zusammenspiel ist hierbei von besonderer Bedeutung. Reizüberflutung oder Widersprüchlichkeiten sind andernfalls die Folge. Baut das Sinneskonzept aufeinander auf und bezieht den Tast- und Geruchssinn als emotionalste Sinne mit ein, dann werden die Ereignisse bis zu zehnmal stärker erlebt. Vor dem Hintergrund, dass wir ständig und intuitiv mit all unseren Sinnen wahrnehmen, sollten diese Informationen nicht unbespielt bleiben.
Emotion vor Rationalität: Warum ist das so?
Ein Großteil – bis zu 95 Prozent – aller menschlichen Entscheidungen werden durch das Unterbewusstsein auf Grundlage von Sinneswahrnehmungen getroffen. Dabei sammelt es intuitiv und affektiv alle Informationen, die emotional, symbolhaft und persönlichkeitsbezogen sind. Diese Informationen laden das Gesehene auf. Rationale Argumente wirken hier nicht. Fehlen diese unbewussten Informationen jedoch, fallen Kaufentscheidungen deutlich schwerer. Rationale Fakten werden zu langsam generiert und erfordern vermehrten Denkaufwand. Nicht umsonst gibt es Kund:innen, die unentschlossen drei Mal an einem Produkt vorbeigehen, ehe sie es kaufen. Diese Zeitspannen brauchen rationale Argumente, bis sie erschlossen sind.
Die Kraft des sensorischen Marketings liegt darin, dass es sich neben der eigentlichen Produktaussage einer emotionalen Sprache bedient. Sensorische Wahrnehmungen und physiologische Erregungen führen jedoch nicht zwangsläufig immer zu derselben Emotion, schon gar nicht bei unterschiedlichen Menschen. Es ist nicht auszuschließen, dass derselbe Erregungszustand als zwei völlig unterschiedliche Emotionen erlebt wird, denn die scheinbare Einfachheit unserer Wahrnehmung täuscht. Wir rekonstruieren die Realität nur. Im Umkehrschluss bedeutet das: Wenn das Auge nur Übermittler von Mustern ist, dann ist das, was von außen ins Auge dringt, nicht ausschlaggebend dafür, was wir sehen. Das Gesehene wird von unseren Erinnerungen und Gefühlen beeinflusst, also von dem, was wir innerlich assoziieren. Assoziationsräume entstehen im Alltag aus eigenen Erfahrungen und Zuordnungen. Diese gilt es zu belegen und dann im Marketing aufzurufen.
Alle fünf Sinne in der digitalen Kommunikation
In der digitalen Kommunikation wird sich aus der Synästhesie primär auf den Sehsinn konzentriert. Das liegt nahe. Wie eindrücklich Jingles den Hörsinn miteinbeziehen, kann daran erkannt werden, dass wenige Töne ausreichen, um eine konkrete Marke im Kopf aufzurufen. Apple legt in seiner Produktgestaltung einen großen Wert auf Oberflächen, Form und Strukturen. So kann über den Sehsinn auch digital ein haptisches Erlebnis nachempfunden werden. Auch der Geruchssinn muss im digitalen Bereich nicht fehlen, er baut auf Erinnerungen auf. Auf ähnliche Weise kann der Geschmackssinn durch eine prägnante Bildauswahl angesprochen werden. Visuelles Storytelling wirkt hier wie ein Schlüssel zu einer Vielzahl an Eindrücken und Emotionen, weil Erzählen und Fühlen nah beieinander liegen.
Die richtige sensorische Marketingstrategie bezieht gegebenenfalls ein crossmediales Vorgehen mit ein, um die besonderen Eigenschaften des Produktes hervorzuheben. Frische sollte über Gerüche transportiert werden, Robustheit am besten über die Haptik. In der Automobilbranche wird Innovation über das Sound-Design vermittelt. Je häufiger dieser Zusammenhang aufgebaut wird, desto prägnanter verschmilzt er mit der Marke. So kann über sensorisches Marketing eine Palette an Assoziationen und Emotionen bei den Kundinnen und Kunden aufgebaut und gezielt am Produkt abgerufen werden.